Nord-Süd-ZipfelorteRadreise
von Karin und Fred Nitsche
Mit dem Pedelec von List/Sylt nach Oberstdorf, Bericht Nord-Süd-ZipfelorteRadreise vom 27. Mai bis 22. Juni 2015.
Über manche Radreisen denkt man kurz nach und macht sie dann auch bald, so wie ein Spritz-Aperol schnell zubereitet und auch schnell getrunken ist. Andere wiederum erinnern an guten Wein, der Zeit für seine Entwicklung braucht und den man keinesfalls in raschen Zügen trinkt. So wie beim guten Wein war es auch bei unserer Idee, Deutschland vom nördlichsten deutschen Ort List auf Sylt zum südlichsten Ort Oberstdorf zu durchfahren. Auf diese Zipfelorte wurden wir vor einiger Zeit durch einen Prospekt bei einem unserer Oberstdorfurlaube aufmerksam. Zu List und Oberstdorf kommen noch Görlitz im Osten und im Westen Selfkant. Wie wäre es, dachten wir, wenn wir beginnend mit Nord/Süd uns mit unseren Flyer-Pedelecs den Zipfelortepass erfahren würden?
Im hohen Norden – von List über Röm und Eiderstedt nach Hamburg
Schnell bringt uns der IC von Darmstadt ohne Umsteigen nach Westerland. Dann rollen meine Frau Karin und ich am frühen Abend durch die herrlich von der tiefstehenden Sonne beleuchteten Dünen an Sylts Westküste entlang auf List zu. Gleich am Anfang einer der schönsten Abschnitte der Reise, die am nächsten Morgen auf der Fähre nach Röm so richtig beginnt. Von Röm geht es über den rund 10 km Verbindungsdamm zum dänischen Festland und über Tondern nach Niebüll zur bemerkenswerten von Frau Kosinska geführten Jugendherberge. Schon am nächsten Tag erreichen wir bei Uelvesbüll die nächste erwähnenswerte Unterkunft. Frau Musielak bietet im Smerkrog eine kleine Suite total abgelegen aber mit Connections zum Handelskrug in Oldenswort, einem feinen und wirklich preiswerten Restaurant. Sie fährt uns hin, die Wirtin zurück. Wir haben nämlich den ersten Regen der Tour und nicht mehr viel Saft in den Akkus, da 95 km gegen den Sturm hinter uns liegen.
Nach einer für uns nostalgischen Fahrt rund um die Halbinsel Eiderstadt mit den Höhepunkten Roter Haubarg und Leuchtturm Westerhever Sand geht es dann am nächsten Tag über das formidable Eidersperrwerk durch Dithmarschen nach Brunsbüttel am westlichen Ende des Nord-Ostsee-Kanals. Dort trifft die größte künstliche Wasserstraße der Welt auf die größten Schleusen unserer Erde.
Im Fahrtenbuch notiere ich einen Tag später: „Laue Luft, Rückenwind, ab und zu Sonne“. Wir fahren entlang der Elbe auf Hamburg zu mit umwerfenden Blicken auf die großen Pötte, die scheinbar über die Marschenwiesen gleiten. Die Einfahrt nach Hamburg verkürzen und verschönern wir uns mit den Hafenfähren Nr. 64 und 62.
Route und Streckenbeschreibung Nord-Süd-ZipfelorteRadreise
Karin u. Fred Nitsche 27. Mai bis 22. Juni 2015 v. List/Sylt n. Oberstdorf
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Durch die Norddeutsche Tiefebene bis zu den Mittelgebirgen
Statt beim Verlassen Hamburgs über die Elbbrücken gleich in Veddel auf den HLR, den Heide-Leine-Radweg, zu stoßen, müssen wir uns Navi-geführt bis nach Buchholz in der Nordheide durchschlagen. Laut Karte haben wir bis Buchholz den HLR mehrfach gequert, in der Realität davon allerdings nichts gemerkt. Am Ortsende von Buchholz stoßen wir dann eher aus Zufall auf den Weg, der uns an diesem Tag bis Schneverdingen bringt. In der Heide das sehenswerte Undeloh mit Museum und Kaffeestube. Dann kommt Heide pur. Trotz unserer gar nicht so schmalen Reifen haben wir beträchtliche Probleme mit dem immer feiner werdenden Heidesand und den so nicht erwarteten Hügeln. Nach über 15 km im Sand und nicht immer klarer Ausschilderung erreichen wir etwas erschöpft Schneverdingen, wo wir dann noch den Heidegarten besichtigen, in dem 150 verschiedene Heidesorten zu sehen sind.
Am nächsten Morgen statten wir nach dem Heidschnuckenaustrieb noch der Eine-Welt-Kirche einen Besuch ab, in der zur Zeit 5.000 Sandproben aus der ganzen Welt aufbewahrt werden, die auf über 7.000 Proben erhöht werden sollen.
Nach Schneverdingen folgt die Zeit der gemütlichen norddeutschen Landgasthöfe in Schwarmstadt, Hemmingen bei Hannover und Alfeld an der Leine. Bei Fallingbostel folgen wir der Ausschilderung zum Grab des Heidedichters Hermann Löns und nehmen danach eine Abkürzung nach Walsrode, wo das hübsch gelegene Heidemuseum mit der Löns-Stube leider schon geschlossen hatte. Von Schwarmstedt bis einige km vor Hannover ist der HLR in einem erbärmlichen Zustand, was uns nach der in der Touristinfo von Schneverdingen erhaltenen Auskunft nicht mehr wundert, dass sich das Konsortium aus Tourismusverbänden, Landkreisen usw. das sich um diesen Fernradweg kümmern sollte, aufgelöst habe. Doch dann geschieht das Wunder. Auf guten und hervorragend ausgeschilderten Wegen rollen wir ruhig immer zwischen Kanal und Leine an der spektakulären Jugendherberge vorbei auf den traumhaften Maschsee zu. Und so angenehm geht der HLR dann weiter bis zum früheren Grenzdurchgangslager Friedland. Nun gibt es entlang der Strecke auch touristische Hinweise auf Sehenswürdigkeiten sowie Übernachtungs- und Einkehrmöglichkeiten. Zwischen Hannover und Friedland ist der HLR auch für Familien mit Kindern zu empfehlen. Vor Alfeld passieren wir noch die Marienburg, den Stammsitz der Welfen, dessen derzeit bekanntester Spross Ernst-August von Hannover ist.
Die Etappe nach Göttingen ist geprägt von Fachwerkidylle, Bierhistorie und mediterranem Flair. Beeindruckt habe uns die über 400 Fachwerkhäuser von Einbeck und die immer wieder gerne erzählte Geschichte von der dortigen „Erfindung“ des Bockbiers vor gut 600 Jahren. Mediterranes Flair genau zur Mittagspausenzeit dann an der Northeimer Seenplatte mit Sandstrand, Liegestühlen und einer super original Northeimer Curry-Wurst. So gestärkt rollen wir auf Göttingen zu, wo uns die beeindruckende Jacobi-Kirche willkommen heißt. Natürlich geht es erst noch zum Gänselieselbrunnen . In der spärlich besuchten Jugendherberge sind die einzigen Gäste zum Abendessen. Danach haben wir ein langes interessantes Gespräch mit dem Herbergsleiter.
Nach Göttingen heißt es bei Friedland Abschiednehmen von der Leine, deren Verlauf bis zur Quelle wir noch gut 30 km hätten folgen können.
Sehenswertes Nord-Süd-ZipfelorteRadreise
Tipps von Karin u. Fred Nitsche
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Entlang der Werra nach Thüringen
Der Wechsel von der Leine an die Werra vollzieht sich problemloser als angenommen. Wir folgen den zu der Zeit wenig befahrenen Bundesstraße 80 und 27, die uns zunächst mit einem moderaten Anstieg und einer nachfolgenden rasanten Abfahrt zur Werra irgendwo zwischen Witzenhausen und Eschwege bringen, wo uns bald die Burg Ludwigstein begrüßt. Im Wirtshaus bei den Stockmachern in Lindewerra verbinden wir eine Kaffeepause mit dem Besuch der Stockmacher-Werkstatt. Wir können hautnah verfolgen, wie aus Spanien stammende krumme Stöcke durch Dämpfen und Biegen zu geraden Exemplaren geformt und danach zu Spazier- und Wanderstöcken weiter verarbeitet werden. In Bad Sooden-Allendorf ist der Bibelgarten unser nächstes Ziel. Auch der sich vom mondäneren Bad Sooden stark unterscheidende Stadtteil Allendorf mit seiner Werra-Insel hat uns gut gefallen. Regelrechte Begeisterung kommt auf, als wir in Jestädt die Villa Velo entdecken, unser nächstes Übernachtungsquartier. Frau Brill begrüßt uns und erzählt etwas über das etwa 400 Jahre alte Fachwerkhäuschen, das zum stilvollen und dazu ausgesprochen preiswerten Radlerquartier verwandelt wurde. Ohne Gepäck sehen wir uns danach die Kiessseen rund um Eschwege an, bevor wir in das quirlige Städtchen rollen, das mit über 1.000 Fachwerkhäusern Einbeck noch übertrifft. Hier herrscht das Leben, das wir in den späteren thüringischen Übernachtungsorten vergeblich suchen werden.
Inzwischen hat uns Begeisterung für den WRW, den Werratal-Radweg gepackt. Annähernd perfekte Ausschilderung, überall umfangreiche touristische Hinweise, gute Streckenführung. Was will der Reiseradler mehr? Am Schluss unserer Reise werden wir sagen können, dass es uns im Hinblick auf den Radweg an der Werra am besten gefallen hat. Von der Topographie her ist der WRW ab/ bis Bad Salzungen auch für Familien mit Kindern zu empfehlen, insbesondere Werraabwärts. Oberhalb Bad Salzungens gibt es doch recht heftige Steigungen. Dies gilt auch für den an sich sehr empfehlenswerten Abstecher nach Eisenach.
Auf dem Weg nach Eisenach ist Treffurt unsere erste Begegnung mit Thüringen. Besonders interessant ist der durch die Ausläufer des Natur- bzw. Nationalparks Hainich führende Streckenabschnitt. In Eisenach ist das eigentliche Lutherhaus natürlich wegen der Renovierungsarbeiten für das 500-jährige Jubiläum des Thesenanschlags in Wittenberg geschlossen und das Ausweichquartier erscheint uns wenig einladend. Also schauen wir uns zunächst die St. Georgskirche mit dem Taufbecken an, in dem Johann-Sebastian Bach getauft worden sein soll, und danach das Bach-Haus mit seinem architektonisch gelungenen modernen Anbau. Am späten Nachmittag haben wir dann die Wartburg fast für uns alleine. Hoch haben wir uns vom Linienbus bringen lassen. Runter geht es zu Fuß vorbei an etlichen äußerst informativen Schautafeln, die Luthers Leben und Wirken in historische Bezüge bringen.
Am nächsten Morgen, zurück in Hörschel am WRW, kommen wir bald an den direkt sichtbaren Hinterlassenschaft des Kaliabbaus in dieser Gegend vorbei. Hoch türmt sich der Monte Kali. Wahrscheinlich auch mit der an sich unsichtbaren immensen Versalzung der Werra hängt zusammen, dass sie bis hierher mit dichtem grünen Unterwasserbewuchs „gesegnet“ ist, der oberhalb der Einleitungen abrupt endet. In Bad Salzungen erwartet uns mit dem Hotel Haus Hufeland ein exquisites Drei Sterne Superior Hotel für relativ wenig Geld, ein hübsches Städtchen und eine Gastronomie, die überwiegend schon zwischen 16 und 18 Uhr ihre Tore schließt. So landen wir im „Kartoffelkäfer“, wo wir uns begeistert über die ersten Thüringer Klöße unseres Lebens hermachen.
Hildburghausen, unser nächstes und zugleich letztes Ziel in Thüringen, erreichen wir über Meiningen und Kloster Veßlar bei mal wieder ungemütlichen Windverhältnissen. Es ist der 16. Tag unserer Reise und wir hatten abgesehen von viel Wind und dem einen oder anderen Schauer bisher ausgesprochenes Wetterglück. In Meinigen residiert der Bürgermeister im stilvoll restaurierten Schloss und das Theater mit dem im 19. Jahrhundert weltberühmten Ensemble macht immer noch etwas her. Mittags gibt es Thüringer Bratwurst vom Verkaufswagen am Marktplatz, wie es sich gehört. Das ehemalige Kloster Veßra liegt etwas abseits, ist seit dem 16. Jahrhundert säkularisiert und eine große Domäne geworden. Zurzeit wird es mit großem Aufwand museumstechnisch auf Vordermann gebracht. Eine immer noch imposante Anlage, die die frühere Größe und Bedeutung spüren lässt. Nach fast 90 km und über 500 Höhenmetern sind wir froh, in Hildburghausen ein ordentliches Bett und noch eine geöffnete Gaststätte vorzufinden.
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Empfohlene Unterkünfte Nord-Süd-ZipfelorteRadreise
Tipps von Karin u. Fred Nitsche
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Durch Franken entlang der Aisch und der Romantischen Straße bis zur Donau
Von Hildburghausen nach Bamberg lassen wir uns wieder auf direktem Weg vom Navi leiten und werden mit purer Natur und absolut ruhigen Nebenstraßen belohnt. Anfangs immer entlang der Rodach über Bad Rodach und Bad Colberg nach Sesslach mit seiner Stadtmauer und den schönen Fachwerkhäusern, dann durch den Itzgrund.
Der Inhaber des nicht billigen aber nicht nur wegen seiner super Lage empfehlenswerten Hotels Wohnbar mit Kellerteilen aus dem 13. Jahrhundert empfiehlt uns einen anderen Keller, den Spezial-Keller recht weit oben über Bamberg. Keller heißen hier die Biergärten, in denen das berühmte Rauchbier ausgeschenkt wird. In Bamberg, dessen gesamte Altstadt Weltkulturerbe ist, gönnen wir uns wieder einmal zwei Nächte und können so am nächsten Morgen ausgeruht zur umfangreichen Besichtigung unter Zuhilfenahme des Rundfahrtbusses über sechs der sieben Bamberger Hügel starten. Die wegen Einsturzgefahr geschlossene Kirche des Klosters St. Michael, der Dom mit dem Bamberger Reiter, der ersten gotischen Plastik, die Bewegung darstellt und die Gesichtszüge realistische wieder gibt, sowie alte und neue Residenz, der von Balthasar Neumann gestaltete Rosengarten, das Rathaus mitten in der Regnitz, der Neptunbrunnen, von den Bambergern liebevoll Gabelmann genannt, und, und, und. Von Bamberg und dem dort herrschenden Leben sind wir begeistert.
Weniger begeistert sind wir vom Aischtalradweg, der uns über Bad Windsheim bis nach Rothenburg ob der Tauber bringt. Er hat sicher viel Natur, unendlich viele Karpfenweiher und ein paar hübsche Städtchen zu bieten. Was ihm aber die vier Sterne des ADFC beschert haben könnte, erschließt sich uns nicht. Während dieser beiden Tage treffen wir auch auf keinen einzigen anderen Reiseradler. Und das, obwohl unser Weg, wie vorher schon bei allen anderen Flüssen, aufwärts, also gegen die überwiegend befahrene Richtung, führt.
Am 20. Tag unserer Reise kommen wir schon am späten Vormittag in Rothenburg ob der Tauber an und beginnen unsere Stadtbesichtigung mit einem langen Gang auf der Stadtmauer, von wo sich viele schöne Ausblicke auf das Städtchen bieten. Die einzelnen malerischen Häuschen aufzuzählen würde den Rahmen sprengen. Natürlich steht auch der Blutwunder-Altar von Tilman Riemenschneider auf unserer Agenda, bevor wir am Marktplatz leckere Maultaschen essen und uns dann abends dem Genuss von Tauberschwarz hingeben, einer von uns sehr geschätzten nur an der Tauber vorkommenden autochthonen roten Rebsorte.
Die Überquerung der Frankenhöhe bei Schillingsfürst am nächsten Tag fällt uns dank unserer Pedelecs leichter als noch vor etlichen Jahren mit unseren damaligen Reiserädern. Dinkelsbühl und unser Etappenziel Nördlingen sind auch sehr sehenswerte und historisch bedeutende Städtchen. Und der Krater des Nördlinger Rieses gibt Stadt und Umgebung eine Ausnahmestellung. Ausnehmend schön war auch unsere Unterkunft „Unter den Linden“ mit direktem Blick in den Garten mit Hühnern und Meerschweinchen.
Auch an unseren 22. Reisetag lassen wir uns vom Navi auf kurzem Weg zum nächsten Etappenziel Dillingen an der Donau leiten. Bei Höchstädt stoßen wir auf den Donauradweg und endlich auch wieder auf viele Radreisende, die aber wie wir auch wenig von der Donau zu sehen bekommen, die meist nicht in der Nähe des Radweges fließt. Von Dillingen, einem stark katholisch geprägten Städtchen fahren wir bei beginnendem Regen noch bis Günzburg an der Donau entlang, bevor wir uns entscheiden, auf den Besuch von Ulm zu verzichten und direkt Illertissen anzusteuern, wo wir im dann strömenden Regen ankommen und von Familie Steinhart vom Hotel Dornweiler Hof richtig verwöhnt werden.
Entlang der Iller nach Oberstdorf
Für den nächsten Morgen, dem Beginn unseres vorletzten Tourtages, steht im Tourenbuch mal wieder das Wort Rückenwind. Und das bei auch wieder schönem Wetter. Entlang der hier noch kanalisierten lller wird es uns bald zu eintönig und wir wechseln bei Altenstadt auf ruhige Nebenstraßen und Radwege. Ab Memmingen geht es dann wieder auf den dann in jeder Hinsicht abwechslungsreichen IRW, den Iller-Radweg. Memmingen empfängt uns mit einem modernen Entree mit Wasserfontäne und einer Schwanenfamilie. Dann wird es wieder historisch mit schmucken Gebäuden verschiedener Stilepochen. Vor Buxheim kaufen wir mal wieder Kirschen und Erdbeeren zum Mittagessen ein, die wir im Garten der Kartause Buxheim verzehren. Soviel ungewaschenes Obst wie auf unseren Radreisen essen wir sonst nie. Nach Illerbeuren mit seinem sehenswerten Freiluftmuseum wird es dann auf dem linksseitigen IRW ab dem Wallfahrtskirchlein Maria Steinbach hammerhart. Obwohl es am Ende der Etappe in Krugzell auch nur wieder gut 500 Höhenmeter sein werden, setzen uns die vielen kurzen aber giftigen Anstiege zu, insbesondere, weil die jeweils folgenden Abfahrten in dem unübersichtlichen Gelände suggerieren, man habe es geschafft. In der Rückschau empfinden wir das mittlere Drittel dieser Etappe als den anstrengendsten Teil der ganzen Tour. Für uns steht fest, dass der IRW für Familien mit Kindern erst ab Memmingen Illerabwärts geeignet ist.
Am nächsten Morgen weckt uns das gleichmäßige Geräusch des Regens. Da hat der Wetterbericht leider doch recht gehabt. Wir erwägen kurz, am nahen Bahnhof Dietramszell in den Zug nach Oberstdorf zu steigen, entscheiden uns aber doch anders, weil wir unbedingt am letzten Tourtag mit unseren Rädern nach Oberstdorf einrollen wollen. Also hinein in die Regenrüstung und auf den Sattel. Zunächst lassen wir uns vom Navi auf interessanten ruhigen Wegen abseits der Iller Richtung Oberstdorf leiten, bis eine gesperrte Brücke bei Rottach unserem Vorwärtsdrang ein Ende setzt. Also orientieren wir uns doch wieder Richtung Iller und warten in der „Tanne“ vor Immenstadt ein nochmals gesteigertes Regenzwischenspiel ab. Dann wird je näher wir an Oberstdorf herankommen aufgrund des Dauerregens der Kiesbelag des IRW immer weicher und hemmt unseren Vorwärtsdrang sehr. Abwechslung für die Augen bieten die vielen Rafting-Boote auf der Iller, deren Besatzungen sich auch vom immer weiter anschwellenden Wasserstand des Flüsschens nicht aus der Ruhe bringen lassen. Als wir in Obersdorf ankommen, bekommt Frau Cerny erst mal einen leichten Schock als sie sieht, welch „abgerissene“ Gestalten da bei ihr Einlass begehren. Nachdem wir mit ihrer Unterstützung aber alles ein wenig trocken und in Ordnung gebracht haben, erweist sich ihr Haus Hölting, in dem man in Oberstdorf immerhin auch in der Saison für ein oder zwei Nächte absteigen kann, als angenehmes Ziel unserer langen Reise. Der für diesen Samstag angesagte Berggottesdienst wird erst auf Sonntag verschoben und dann zu unserem Leidwesen endgültig abgesagt. Dieser Gottesdienst am Nebelhorn wäre für uns der krönende Abschluss unserer Radreise gewesen.
Am Montagmorgen wartet dann am Oberstdorfer Bahnhof der Zug in die Heimat. Während der Fahrt freuen wir uns gleichermaßen auf daheim wie wir von den vergangen Erlebnissen schwärmen. Dabei wird meiner Frau und mir klar, dass wir wohl erst zu Hause so richtig begreifen werden, welch herrliche vier Wochen wir uns selbst mit dieser Radreise geschenkt haben.